Arbeitskampf in Berlin: Kino Babylon bleibt skandalös
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Trotz der Intervention ver.dis vor über zwei Monaten hat sich die Situation im Kino Babylon Mitte Berlin immer noch nicht verbessert. Im Gegenteil: aktive Beschäftigte sehen sich nun Schikanen ausgesetzt; und der ver.di-Tarifvertrag wird die Babylon-typischen Probleme nicht lösen. Immer deutlicher zeigt sich, dass ver.di der Geschäftsleitung einen Bärendienst leistet, wurden doch die kämpferischen Kräfte durch komplottartige Zustände in die Defensive gedrängt. Es gibt gute Gründe zu behaupten, dass schon längst Feierstimmung herrschen könnte, wenn, ja wenn der Arbeitskampf nicht in voller Fahrt von ver.di unterlaufen worden wäre.
Gut ein halbes Jahr lang kämpfen nun Beschäftigte mit der Basisgewerkschaft FAU für einen Haustarifvertrag im halbkommunalen Kino Babylon Mitte in Berlin. Seit dem 29.10.2009 führt die Geschäftsleitung aber nun Tarifverhandlungen mit der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Diese Verhandlungen wurden von der Linkspartei vermittelt, nachdem der betriebliche und öffentliche Druck auf die Geschäftsleitung und die politischen Verantwortlichen erheblich wurde. So zeigte der Boykott der FAU Berlin seine Wirkung: namhafte Medienpartner des Babylon legten ihre Zusammenarbeit auf Eis; die Kundschaft blieb aus Solidarität weg; selbst im Babylon auftretende Künstler und Kulturschaffende (wie etwa Billy Bragg) brachten ihre Solidarität zum Ausdruck. Der für die massiven öffentlichen Subventionen des Babylon zuständige Senat (insbes. die Linkspartei) geriet ebenso unter Beschuss, so dass man sich gezwungen sah, 30.000 Euro mehr für Löhne im Babylon bereit zu stellen.
Dennoch gibt es keinen Grund zum Aufatmen: Denn der Plan hinter dieser Verhandlungsvermittlung scheint zu sein, dass alle Beteiligten glimpflich aus dieser Situation heraus kommen sollen — außer eben die Beschäftigten selbst. (Siehe dazu: http://de.indymedia.org/2009/09/261512.shtml) Anscheinend will sich der Senat mit einem niedrigeren Ver.di-Tarifvertrag vor angemessenen Förderungssummen drücken. Und die Geschäftsführung scheint sich dadurch Ruhe zu erhoffen, dass die Beschäftigten mundtot gemacht und eine kämpferische Gewerkschaftsstruktur im Betrieb geschwächt bzw. nicht anerkannt wird. Ver.di wiederum zielt offensichtlich um jeden Preis auf die Sicherung des eigenen Monopols in der Branche ab. Dafür spricht zum einen deren untypisches Vorgehen (z.B. wird hier vielfach gegen eigene Regularien verstoßen und ein Kleinbetrieb zur Chefsache erklärt), zum anderen deren unsolidarisches, ja intrigantes Verhalten: so wird alles für die Beschäftigten möglichst intransparent gehalten, neuerdings hintenrum gegen die FAU geschossen (z.B. durch die Verbreitung abstruser Unwahrheiten, es hätte gar kein Arbeitskampf stattgefunden oder die FAU bezahle die Protestierenden vor dem Kino) und gegen Missliebige mobil gemacht (siehe unten).
Ver.di führt ihre Verhandlungen an den Beschäftigten vorbei; ihre Mitgliederbasis im Betrieb ist eher ein Phantom. Es zeichnet sich ein Lohnergebnis ab, das weit unter den Zielen des eigentlichen Arbeitskampfes liegt (selbst eine Unterbietung des ver.di-Flächentarifvertrages scheint möglich). Auch andere zentrale Forderungen finden keine Berücksichtigung; dass man die nochmals deutlich artikulierten Forderungen der Belegschaft nicht ernst nimmt, daraus wir gar kein Hehl gemacht. Gerade diese Forderungen aber sollten die Belegschaft stärken und den massiven Problemen im Haus Abhilfe schaffen: ein willkürlicher Führungsstil, ein repressives Klima und eine rigorose Hire-und-Fire-Politik. Das selbstermächtigte Eingreifen ver.dis hat diesen Umgang auch noch begünstigt. Die FAU erhebt diesbezüglich schwere Vorwürfe gegen ver.di und hat ihre Gründe zuletzt detailiert in einem Offenen Brief dargelegt.
Schon vor einem Monat wurden der FAU, der stärksten Gewerkschaft im Betrieb, per einstweiliger Verfügung Arbeitskampfmaßnahmen untersagt (zur Begründung der Klage wurden übrigens die ver.di-Verhandlungen als wichtiges Argument herangezogen). Nun sehen sich die aktiven Beschäftigten zudem noch Schikanen durch die Geschäftsleitung ausgesetzt: z.B. werden aktiven Beschäftigten massiv die Schichten gekürzt. Auch der Betriebsrat wird weiter in seiner Arbeit behindert: auf seine direkte Beschwerden und Vorschläge wurde ohnehin nie eingegangen; Mitglieder sahen und sehen sich Schikanen ausgesetzt; bestimmte Rechte (wie z.B. auf Schulung) versucht man ihm zu versagen. Ver.di und Geschäftsleitung scheinen dabei d-´accord zu gehen. Denn nun soll ver.di sogar einen Anwalt, von dem sich der Betriebsrat gegen den Willen der Geschäftsleitung schulen ließ, ächten lassen und die langjährige Zusammenarbeit mit ihm eingestellt haben. Weiteres steht zu befürchten.
Hier zeigen sich die verheerenden Auswirkungen einer Gewerkschafts- und Betriebspolitik, bei denen die Betroffenen selbst nichts zu sagen haben. Würde und Respekt lassen sich nicht allein durch Lohnerhöhung erkaufen. Einen Tarifvertag zu unterzeichnen, ist eine Sache, wirkliche betriebliche Verankerung und aktive Solidärität eine andere. Die zentralen Ziele des Arbeitskampfes werden mit einem beliebigen Tarifvertrag nicht erreicht, wenn die Beschäftigten weiter entmündigt gehalten werden.
Selbstorganisation und eine kämpferische Gewerkschaftsarbeit scheinen nicht nur den Bossen, sondern auch der Politik und den etablierten Gewerkschaften eine Dorn im Auge zu sein. Es soll offensichtlich im Keim erstickt werden, was Schule machen könnte. Nur so erklärt sich der ungewohnt harte Gegenwind, der den aktiven Beschäftigten und der FAU Berlin von allen Seiten entgegenschlägt. Es lässt sich nicht leugnen: der Konflikt hat Wellen geschlagen, die in keiner Relation zu der Bedeutung des Betriebes stehen. Hier geht es um einen Präzedenzfall betrieblichen Kampfes. Solidarität bleibt gerade jetzt oberstes Gebot.
Quelle: Indymedia (14.9.09)
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