Mythos attac

Bericht von der Veranstaltung ”šMythos attac’ mit Jörg Bergstedt

Am 12.08. kamen in der Libelle über 20 Leute zusammen, um mit dem Referenten Jörg Bergstedt, Autor des Buches ”šMythos attac,’ über seine Kritik an attac zu diskutieren. Im folgenden werde ich versuchen, die Argumentation seines Referates grob nachzuzeichnen, wobei zu beachten ist, dass sich die Kritik Jörg Bergstedts nach eigener Aussage nicht auf die genannten Punkte beschränkt und dass ich auch nicht sämtliche Ausführungen und Beispiele mitgeschrieben habe.

1.) Instrumentelle Herrschaft
Der Vortrag begann mit der Feststellung, dass attac an der Basis extrem vielfältig sei, was der Referent auch gut fand. Dies werde allerdings dadurch wieder eingeschränkt, dass die Breite an der Basis für die Außenwahrnehmung egal sei, da diese von einigen wenigen Medienprofis (Peter Wahl, Sven Giegold, …) bestimmt werde, weshalb attac eine „Organisation neuen Typs“ sei. Die Aktionen der Basis dienen dabei lediglich als Hintergrundbilder für deren Medienpräsenz. Ohne sich mit den TeilnehmerInnen der Aktionen abzusprechen, würden die Medienprofis der Öffentlichkeit mitteilen, was diese mit ihr gewollt hätten, was instrumentelle Herrschaft ausmache. Dieses Vorgehen beschränke sich nicht nur auf attac-Basisgruppen, sondern die (internationalen) attac-Wichtigmenschen würden mitunter auch suggerieren, dass sie im Namen der gesamten Bewegung oder gar der ganzen Menschheit sprächen. Das ”šKonsensprinzip’ bei attac diene der Absicherung der instrumentellen Herrschaft — die Medienprofis würden ohne Rücksprache Positionen im Namen von attac veröffentlichen und um diese zurückzunehmen(!) ist eine 90-prozentige Zustimmung (”šKonsens’) dazu nötig, was selbstverständlich so gut wie nie erreicht wird.

2.) Kampagnenorientierung und Populismus
Auch wenn attac nicht die ersten und auch nicht die einzigen sind, auf die diese Vorwürfe zutreffen, so seien Kampagnenorientierung und Populismus doch sehr prägend für sie. Dies zeige sich z.B. an der neuen ”šVodaklau’-Kampagne, die suggeriere, dass Vodafone am momentanen ”šSozialabbau’ schuld wäre, wobei deren Steuereinsparungen erst die nächsten Jahre betreffen. Außerdem sei fraglich, warum eine solche Kampagne ausgerechnet dann gestartet werde, wenn ein ”šausländischer’ Konzern das mache, was ”šdeutsche’ Konzerne schon seit Jahren praktizieren. Hiermit böte attac mindestens Anknüpfungspunkte für NationalistInnen. Wie wenig attac sich um Diskussionen in der (radikalen) Linken kümmere, zeige sich auch daran, dass die weinenden Leute auf allen drei Plakaten dieser Kampagne Frauen sind, was Geschlechterrollen fortschreibt. Es sei zu vermuten, dass dies geschehen sei, weil damit populistisch ein höherer Effekt zu erzielen sei — ähnlich, wie wenn sonst Frauen in der Werbung eingesetzt werden.

3.) Inhaltliche Kritik
Attac konstruiere einen Gegensatz zwischen Markt und Staat („die Politik verliert an Einfluss“ etc.) und übersehe dabei, dass es ja die Staaten sind, die den Markt absichern. Aus dieser absurden Konstruktion leite sich ihr positiver Bezug auf eine Demokratisierung der Welt ab, welche mit einer Verklärung von Herrschaftsstrukturen wie der UNO und dem internationaler Strafgerichtshof oder gar einer zu installierenden Weltregierung verbunden wäre. Nicht bedacht würden die dabei aufkommenden Probleme. Wohin soll z.B. jemand fliehen, die/der politische Probleme mit einer Weltregierung hat (was selbstverständlich nicht heißt, dass die momentane Situation gut wäre)? Oder wer soll dem internationalen Gerichtshof denn bitte die Angeklagten zuführen? Dazu werden weltpolizeiliche Strukturen zu errichten sein, welche dann die dafür notwendigen Kriege führen.

Noch krasser sei die von attac vorgenommene Trennung zwischen Produktions- und Spekulationskapital, wobei Produktionskapital positiv bewertet wird. Allerdings seien Produktions- und Spekulationskapital nicht zu trennen, weil Kapital weltweit verschoben werden müsse, um die für es günstigsten Produktionsplätze (was seiner immanenten Logik entspricht) zu finden und außerdem Spekulationsgewinne auch wieder in die Produktion investiert werden. Zudem mache es dieser Gedankengang von attac Rechten leicht, daran mit ihrer Trennung von „raffenden“ und „schaffenden“ Kapital anzuknüpfen. Unbegründet bliebe auch, wieso es denn besser sein soll, wenn das Kapital, statt damit zu spekulieren, in die Produktion investiert werden würde — z.B. (polemisch gesagt) in die von Atomkraftwerken und Riesenstaudämmen.

Es sei attac zwar darin zuzustimmen, dass die Debatte nicht nach Reform vs. Revolution zu führen sei, aber mit ihrer Argumentation, dass die Revolution momentan nicht anstehe und daher Reformen gut seien, umgehe attac jedoch einer Bestimmung, ob den geforderten Reformen eine emanzipatorische Qualität zukomme. Diese sei daran zu bestimmen, ob durch sie mehr Handlungsmöglichkeiten für die Menschen entstünden — was wie gezeigt, auf viele Forderungen von attac nicht zuträfe.

In der anschließenden Diskussion wurden die anwesenden attac-Mitglieder (an dieser Stelle auch ein Danke an sie) über ihre Organisation und ihre Kritik an ihr ausgefragt, es wurde die Gründung attacs rekapituliert und nach den Gründen für den Erfolg dieser Organisation (der Medienhype?) gesucht, der Sinn und Unsinn dezentraler Aktionsgruppen wurde kontrovers diskutiert und vieles mehr. Insgesamt lässt sich also von einer gelungenen und inspirierenden Veranstaltung sprechen.

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