Mit Schwundgeld ins grenzenlose Wirtschaftswachstum?
Am 16.06.2004 veranstaltete der Rote Baum Leipzig einen Vortrag mit anschließender Diskussion, in dem Peter Bierl sich kritisch mit der Freiwirtschaftslehre von Silvio Gesell auseinandersetze. Im folgenden finden sich zwecks Dokumentation die Veranstaltungsankündigung, sowie die Mitschrift eines Anwesenden:
VERANSTALTUNGSANKÜNDIGUNG von Roter Baum Leipzig:
Mit Schwundgeld ins grenzenloses Wirtschaftswachstum?
16.06.2004, 19.00 Uhr, Leipzig, Libelle, Kolonnadenstr. 19
Diskussionsveranstaltung mit Peter Bierl, freier Journalist (u.a. Autor des Buches „Wurzelrassen, Volksgeister und Erzengel – Die Anthroposophie Rudolf Steiners und die Waldorfpädagogik“, Hamburg, 1999)
Die Freiwirtschaftslehre verspricht eine gesunde und harmonische sozial-ökologische Wirtschaftsordnung, die dennoch ständiges Wirtschaftswachstum ermöglicht. Grund des Übels sollen die Zinsen und damit die Vorteile der Geldbesitzer gegenüber den Warenbesitzern sein. Durch ein „Schwundgeld“ sollen Geldbesitzer zu immer neuer Investition angehalten werden — und das Geld soll sich nicht in den Händen weniger konzentrieren.
Die Nähe zu antisemitischem Denken wird dabei vielfach übersehen: auch der Nationalsozialismus betrachtete den Zins als Grundübel der kapitalistischen Wirtschaft und stellte ihm einen angeblich nach organischen und harmonischen Prinzipien organisierten „Volks-Sozialismus“ entgegen.
Ebenso ist die Freiwirtschaftslehre von sozial-darwinistischen Ideen geprägt: Der Mensch zählt hier genau wie in der kapitalistischen Wirtschaft an sich nur noch als Produzent und Warenanbieter. Das Mindestmaß sozialer Sicherung, welches der Kapitalismus zumindest in seinem “take off“ in den Industrieländern staatlich garantierte — gäbe es nicht mehr. Die Freiwirtschaftslehre steht somit nicht für eine menschen- und naturverträglichere Wirtschaftsweise. Vielmehr bringt sie den explizit menschenfeindlichen Charakter dieser Gesellschaft nur noch unverhohlener auf den Punkt.
In kleinen, zumal alternativen Betrieben und Projekten, die nicht selten Kredite aufnehmen, um andere zu begleichen, um sich irgendwie am Markt zu halten und einem diffus alternativen Umfeld fällt die Freiwirtschaft jedoch oft auf fruchtbaren Boden. Hier werden die Banken mit ihren Forderungen nach Zinsrückzahlung tatsächlich als reale Hindernisse der freien Entfaltung erlebt. Vor diesem Erfahrungshintergrund erscheint eine „Marktwirtschaft“ auf Basis vieler KleinproduzentInnen, wie sie die Freiwirtschaftslehre verspricht, recht gut vorstellbar.
Auch im weltwirtschaftlichen Maßstab ergeben sich für freiwirtschaftliches Denken vielerlei oberflächliche Anknüpfungspunkte. Im Zuge der Globalisierung des Kapitals hängt die reale Produktion tatsächlich immer weiter hinter den Spekulationsgewinnen zurück. Von 97,5% spekulativem und 2,5% realwirtschaftlichem Anteil des weltweiten Devisenflusses ist die Rede. Seit 1990 bekam der Aktienkurs, mit dem Aktien an der Börse notiert werden, zunehmende Wichtigkeit („Shareholder Value“). Diese Entwicklungen entkoppeln sich von der produktiven Wirtschaft. Dollarmilliarden schnellen aus rein spekulativen Gründen in Sekundenbruchteilen von einem Ende des Globus zum anderen. Städte und Kommunen rangeln sich darum, der steuergünstigste Standort zu werden. Kaum jemand gewinnt bei diesem Spiel, bei welchem soziale und ökologische Standards immer weiter unter die Räder geraten.
Es bedarf einer neuen sozialen Kritik. Die Freiwirtschaftslehre ist aber als Heilsversprechen zu betrachten. Sie bietet keine Lösungen für die von ihr angesprochenen Probleme. Stattdessen schürt sie die Suche nach Sündenböcken für die katastrophale ökonomische Entwicklung mit ihrem Lob des Produktiven. Sie beruht auf dem antisemitisch motivierten Hass aufs „raffende Kapital“ und den Lob des „schaffenden“. Sie knüpft an die populistische Wut auf die „Unproduktiven“ — seien es „Spekulanten“ und „Bonzen“, seien es Arbeitslose, Sozialhilfe-empfänger, Rentner oder Migranten bruchlos an und erhebt dieses Ressentiment zum theoretischen Programm. Die Freiwirtschaftslehre kann daher nur Gegner einer sozialen Kritik sein.
MITSCHRIFT eines Anwesenden:
Titel der Veranstaltung: Mit Schwundgeld ins grenzenlose
Wirtschaftswachstum?
Referent: Peter Bierl
Veranstalter: Roter Baum Leipzig
Ort: Libelle
Datum: 16.06.04
anwesend: ca. 20 Leute
[Anmerkungen in eckigen Klammern von mir]
Einleitung:
Bierl erzählte, er wäre zu dem Thema gekommen, weil er früher („Jugendsünde“) bei den Grünen Mitglied war und einer deren Gründungszweige wären die Gesellianer gewesen. Heute versuchen diese bei der Antiglobalisierungsbewegung mitzumachen und sie haben auch Einfluss auf einige Tauschringe. Die beiden bundesweit agierenden gesellianischen Gruppen, das Institut für natürliche Wirtschaftsordnung (INWO) und die Christen für eine natürliche Wirtschaftsordnung (CNWO) sind Mitgliedsorganisationen von attac.
Zur Theorie Gesells:
Der 1862 geborene Silvio Gesell fand seine ersten Anhänger im Milieu der Lebensreformbewegung, die Vorstellungen von einem einfachen, gesunden, vegetarischen Leben mit völkischen und rassenhygienischen Ideen verknüpft hatte. Diese wurden von Gesell zwar nicht geteilt, aber er kooperierte eng mit diesen Leuten.
Gesell entwickelte seinen Ansatz in expliziter Abgrenzung zu Marx. Dieser ging davon aus, dass die Natur und die menschliche Arbeitskraft die einzigen Quellen von Reichtum seien. Der menschlichen Arbeitskraft kommt bei ihm die Besonderheit zu, dass sie in ihrer Anwendung mehr produzieren kann, als zu ihrer Reproduktion notwendig ist. Dieses Mehrprodukt wird größtenteils von der herrschenden Klasse angeeignet; im Kapitalismus läuft das über die Bezahlung des Werts der Arbeitskraft mit dem Lohn und dem Einbehalten des Mehrwerts. Marx lokalisierte die Ausbeutung also in der Produktionssphäre.
Im Gegensatz dazu behauptete Gesell, dass das Problem in der Zirkulations- und nicht in der Produktionssphäre läge. Da Geld nicht verderbe, könne es von seinen Besitzern gehortet und mit ihm die anderen Warenbesitzer erpresst werden. Durch diese ausbeuterische Erpressung kämen Zins und Bodenrente zustande — womit er sich in die Tradition Proudhons stellte. Daher ging er auch davon aus, dass alle Menschen außer den Rentiers Arbeiter wären — also auch Könige,
Kapitalisten etc. — also die Konzeption von ”šschaffend’ und ”šraffend’. Des weiteren nahm er an, dass alle Menschen kleine Warenproduzenten wären, die auf einem Markt miteinander tauschen. Da das schon zu seiner Zeit der empirisch wahrnehmbaren Realität widersprach, musste er zur Aufrechterhaltung dieses Theorems zu einem Kunstgriff Zuflucht nehmen: der Fabrikant leihe den Fabrikarbeitern die Fabrik und kaufe ihnen dann die von ihnen hergestellten Waren ab.
Gesell vertrat dabei einen radikalen Marktradikalismus, bei dem der Arbeitsertrag nach Tüchtigkeit verteilt werden solle. Im Zusammenhang damit steht auch seine Hetze gegen ”šSozialschmarotzer’. Ein Sozialstaat ist in seinem Konzept nicht vorgesehen, vielmehr forderte er eine Rückkehr zum Manchesterkapitalismus, nur ohne Zins und Privateigentum an Boden. Die zentralen Punkte in seinem Konzept sind also Freihandel (worin also ein Widerspruch seiner Anhänger zu den Globalisierungsgegnern, bei den sie mitmachen, besteht), Freiland und Freigeld.
Die (aktuelle) Agitation für ein Freigeld (auch Schwundgeld, rostendes Geld etc. genannt) besteht hauptsächlich darin, zu unterstellen, dass ein hoher Anteil der Preise aus Zinsen bestünde. Dieser angebliche Missstand soll durch die Einführung eines Freigeldes beseitigt werden. Die grundlegende Annahme dafür ist, dass Geld im Gegensatz zu anderen Waren nicht verderbe, sondern immer seinen Wert behalte. So kann es gehortet und mit ihm (Wucher-)Zins erpresst werden; Zins ist Gesell also im Gegensatz zu Marx nicht Teil des Mehrwerts, sondern moralisch verwerflich. Durch ihn würde die gute Marktwirtschaft zum bösen Kapitalismus. Auch die Krisen würden durch ihn verursacht, weil bei einem Zinssatz, der geringer als 2,5% ist, das Geld gehortet werden würde, statt es [als Kredit?] auszugeben, was zu Schocks führen würde, aus denen wieder herum Krisen entstünden. Als Gegenmaßnahme schlug Gesell daher vor, dass das Geld periodisch um 5 — 10% entwertet werden solle, damit die Leute es nicht horten, sondern ausgeben.
Dass die dem zu Grunde liegenden Annahmen Unsinn sind, ist eigentlich offensichtlich. So ist z.B. Geld nicht wertbeständig, sondern kann z.B. durch Inflation, Wechselkursschwankungen und politische Entwicklungen entwertet werden. Außerdem wird Geld auch bei niedrigen Zinsen nicht gehortet, weil man lieber einen niedrigen Zins mitnimmt als gar keinen. Und um den Wirtschaftsaufschwung anzukurbeln, wird gerade eine Senkung(!) des (Leit-)Zinses diskutiert, weil teure Kredite nicht nachgefragt werden. Zudem blendet Gesells Konzeption völlig aus, dass es im Kapitalismus nicht darum geht, möglichst viel Geld zu horten [was Schatzbildung wäre], sondern darum, dieses einzusetzen, um aus ihm (per Einbehaltung des Mehrwerts) mehr Geld zu
machen, mit dem dann auch wieder mehr Geld gemacht werden soll etc. — dadurch wird es ja erst zum Kapital.
So wie durch das Freigeld das angebliche Übel des Zinses, so soll in den gesellianischen Vorstellung durch das Freiland das angebliche Übel der Bodenrente beseitigt werden. Das Land solle von Privat- in staatlichen Besitz übergehen, wo es von Bauern gepachtet werden könne. Der Ertrag dieser Pachtbauern würde als gesellschaftliches Maß für Mindest- und Höchstlohn gelten – Klassenkampf, Streiks etc. wurden von Gesell schließlich abgelehnt. Seine Idee dahinter war, dass die Kapitalisten den Proletariern nicht mehr als diesen Ertrag zu zahlen bereit wären — würden sie jedoch weniger bezahlen, würden die Proletarier zu Pachtbauern werden. Dies war mit der Behauptung verbunden, dass es ja massig herrenloses Land gäbe, auf das sie auswandern können. Dies war aber eine Rechtfertigung der kolonialistischen Praxis, welche das Land durch die Vertreibung der ”šUreinwohner’ erst herrenlos machte.
Ist diese Theorie antisemitisch?
Gesell hat zwar subjektiv Antisemitismus abgelehnt, teilte jedoch die antisemitischen Vorurteile seiner Zeit. So sprach er sich zwar gegen die Judenhatz aus, aber teilte durchaus die Vorstellung, dass sie ihren ”šüberlegenen Verstand’ zum Schachern benutzen würden — durch eine Umsetzung seiner Konzeption sollten sie dazu gebracht werden, diesen in den Dienst der produktiven Arbeit zu stellen.
Seine Lehre sei jedoch strukturell antisemitisch, wobei Bierl sich dabei auf die Antisemitismuskritiken von Claussen und Postone bezog. Laut Claussen sei der 1. Schritt des Antisemitismus eine falsche Erklärung der durch die Marktvermittlung verschleierten kapitalistischen Verhältnisse. Deren apersonale Herrschaft werde personalisiert — die Personalisierung im ”šJuden’ sei der auf Grund der europäischen Tradition des Antijudaismus nahe liegende 2. Schritt (vgl. z.B. D. Claussen: Vom Judenhass zum Antisemitismus). Postone ginge davon aus, dass ”šdie Juden’ für die rasche Entwicklung des Kapitalismus und dessen Krisen verantwortlich gemacht werden würden. Auch er verstünde dies als eine falsche Erklärung der schwer zu durchschauenden kapitalistischen Verhältnisse, auf deren Basis es dann zu einem Antikapitalismus käme, der ”šdas Konkrete’ gegen ”šdas Abstrakte’, das ”šschaffende Kapital’ gegen das ”šraffende’ ausspielt (vgl. z.B. M. Postone: Nationalsozialismus und Antisemitismus). Da Gesell allein Geld und Zins problematisiere, fällt auch seine Lehre darunter, womit sie — auf Grund der europäischen Tradition — für direkten Antisemitismus zumindest anfällig sei. Übrigens hatte sich auch Proudhon, auf dessen Lehre Gesell sich ja bezog, zu üblen antisemitischen Äußerungen hinreißen lassen.
Sozialdarwinismus
In Gesells „natürlicher Wirtschaftsordnung“ sollte die Konkurrenz auf einer ”šnatürlichen Basis’ ausgetragen werden. Er befürwortete eine Auslese nach Arbeitsleistung im ”šKampf ums Dasein’. Die wirtschaftlich Tüchtigsten könnten und würden sich öfter fortpflanzen, womit sich ihr ”šüberlegenes Erbgut’ verbreiten würde, wenn für den wirtschaftlichen Erfolg ”šnatürliche Eigenschaften’ statt im Geld begründete gesellschaftliche Vorrechte entscheidend wären. So würde die ”šDegeneration’ durch ”šHochzucht’ beseitigt werden. Frauen werden in seiner Konzeption auf ihre Rolle als Mütter beschränkt. Der Staat soll das durch die Verpachtung des Freilands eingenommene Geld an sie nach der Zahl ihrer Kinder verteilen, damit sie die nötige Unabhängigkeit haben, sich wirtschaftlich erfolgreiche Männer als Väter für ihre Kinder herauszusuchen. So würden sie statt des „zahnlosen politischen Wahlrechts“ (um das zu dieser Zeit gekämpft wurde) das viel bedeutendere „Zuchtwahlrecht“ bekommen. Derlei rassenhygienische Vorstellungen werden vom INWO kaum noch vertreten, von anderen heutigen Gesellianern hingegen schon.
Tauschringe
Tauschringe haben meistens eine (fiktive) Fantasiewährung, die auf einem je individuellen Haben-Soll-Konto verrechnet wird — die Mitgliedschaft in ihnen ist aber normaler Weise mit Bezahlung in harten Devisen verbunden. Sie führen keine Sozialversicherungsbeiträge und Steuern ab. Die Besonderheit bei einer Minderheit von ihnen ist, dass die Kontoguthaben mit Abschlägen belastet werden, womit die gesellsche Theorie in die Praxis umgesetzt wird. Mittlerweile gab/ gibt es auch Experimente mit regionalen Schwundpapiergeld — oft mehr wegen des Publicity-Effekts, mitunter aber auch ernsthaft (z.B. mit dem Chiemgauer). Bierl meinte, dass Tauschringe in Süddeutschland (wo er herkommt) eher eine Art Spielerei sind, die aber den Gesellianern als Propagandabühne diene — zu einer Veranstaltung des örtlichen Tauschrings kämen halt mehr Leute als zu einer des INWO.
Mit steigender Armut steigen jedoch die Chancen für die Tauschringe, wie es sich am Beispiel Argentiniens zeigte, wo sich auf ihren Höhepunkt im Sommer 2002 10 von 36 Millionen Einwohnern an ihnen beteiligten. Ihre Funktion geht in solchen Verhältnissen über eine Spielerei hinaus — vielmehr sind sie eine Möglichkeit, in einer Nischenökonomie klarzukommen — was aber auch heißt, das auf das Umwerfen dieser Verhältnisse verzichtet wird. Insofern war es dem
Staat und den internationalen Institutionen ganz recht, dass sich dort Leute zusammenfanden, die keine Erwartungen an den Staat hatten — was diesen Kosten und Mühe sparte. Die Tauschringe in Argentinien waren richtige Märkte, die mit dem Credito eine eigene Währung hatten. Dieser wurde gesellianisch auf einen „rostenden Credito“ umgestellt. Allerdings blieb der erhoffte Produktionsanschub durch die Tauschringe aus, weil die Beteiligten eben keine Produktionsmittel besaßen, weshalb es z.B. in ihnen kaum Lebensmittel gab. Die Tauschringe basierten vielmehr darauf, dass in ihnen versucht wurde, Preisdifferenzen (zwischen freien Markt und Tauschring sowie regional zwischen den Tauschringen) auszunutzen. Zu ihren Zusammenbruch im Herbst 2002 trug zusätzlich der Fakt bei, dass viele gefälschte Creditos in Umlauf gebracht wurden, was zu seinem Wertverfall führte.
Bierl meinte, dass er zwar verstehen könne, dass sich Linke nach der Diskreditierung der bisherigen Konzepte (der finale Zusammenbruch blieb aus, Leninismus und Sozialdemokratie sind gescheitert) nach neuen Ansätzen umsehen — wenn sie dabei aber eine Nischenökonomie wie die Tauschringe glorifizieren, machen sie einen Fehler. Wenn dort Schwundgeld verwendet würde, käme noch hinzu, dass keine Ersparnisse für Notsituationen gebildet werden können, was v.a. Arme trifft.
Zum Schluss:
Statt sich an solche verkehrten Alternativkonzepte zu klammern, gälte es, die Frage nach ”šunseren Alternativvorstellungen’ als falsch zurückzuweisen. Momentan bliebe nur die radikale Kritik der bestehenden Verhältnisse. Das Gesellianertum müsse bekämpft werden, was aber nicht hieße, dass er die Antiglobalisierungsbewegung vor ihm beschützen wolle — schließlich habe er an dieser auch einiges auszusetzen.
So beklagt diese z.B., dass mit dem angeblich neuen Phänomen der Globalisierung eine Abnahme der Macht von Nationalstaaten zu Gunsten der von multinationalen Konzernen stattfände, dass durch den Freihandel die Handelsschranken beseitigt würden und von der Produktion abgekoppelte Finanzmärkte entstanden seien. Dabei übersehen sie aber, dass die Konzerne weiterhin auf starke Nationalstaaten als Basis angewiesen sind und dass es nach wie vor Handelsbeschränkungen gibt, z.B. gegenüber der ”š3. Welt’ oder auch zwischen der EU und den USA (die sich darum ja ständig streiten); die WTO ist daher auch keine über den Staaten stehende Institution, die ihnen Freihandel aufzwingt, sondern in ihr werden die gegenseitigen Handelsbeschränkungen von den Staaten verhandelt. Außerdem ist das Finanzkapital vom
Produktionskapital nicht vollständig zu trennen und die Aufblähung des Finanzsektors ist kein neues Phänomen, sondern schon ein zu Marx’ Zeiten (Eisenbahnaktien) auftretendes, welches kapitalismusimmanent ist: wenn eine Anlage des Kapitals im Produktionssektor nicht ausreichend profitabel erscheint, wird es spekulativ angelegt (~> fiktives Kapital), was zu einer Finanzblase und schließlich zum Crash führe.
Statt sich aber wie z.B. viele Antideutsche einfach nur von den Globalisierungsgegnern abzugrenzen, sollte man sich laut Bierl mit ihnen um die richtigen Inhalte streiten. Attac sei allerdings ein hoffnungsloser Fall, da es hauptsächlich aus einem rosa-grünem Spektrum besteht und es — wie die Demos gegen den Sozialabbau gezeigt hätten — mit dem DGB gegen die sozialen Bewegungen zusammenarbeitet.
Die Diskussion habe ich nicht mehr mitgeschrieben — sie hat m.E. allerdings auch nicht viel getaugt. Es wurde hauptsächlich darüber diskutiert, ob eine Kritik, die sich am Zins aufhängt, notwendig antisemitisch sein muss und ob Tauschringen oder gar Flohmärkte nicht vielleicht doch eine Alternative zum Kapitalismus sein könnten. Immerhin wurde letzteres klar widerlegt.
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